Grenzen überwinden: So gelingt es!

Group 15 03.03.2025 |    Minuten Lesezeit
Effektiv trainieren
Die MeterMacher

Ob die Teilnahme am Halbmarathon, eine Alpenüberquerung oder die Vereinsmeisterschaft im Tennis – Ziele sind wichtig und helfen dabei, die Motivation aufrechtzuerhalten. Ein Sportpsychologe gibt Tipps, wie man persönliche Grenzen überwindet.

Egal, ob Profisportler oder Hobbyathletin: Wer in seinem Sport aufgeht und merkt, dass er oder sie Fortschritte macht, wird irgendwann an einen Punkt gelangen, an dem es nicht weitergeht. Wie schafft man es, sich weiterzuentwickeln und besser zu werden? Was kann mentales Training bewirken? Und wie geht man mit Rückschlägen um? Darüber haben wir mit dem Sportpsychologen Jürgen Walter aus Düsseldorf gesprochen.

Herr Walter, warum kann es sinnvoll sein, die eigenen Grenzen im Sport zu überwinden?
Der Mensch braucht Herausforderungen. Das zeigt sich bereits in der Frühgeschichte: Hätten unsere Vorfahren keine Herausforderungen gesucht, wären sie in ihren Höhlen geblieben, hätten sich nicht weiterentwickelt und wären letztlich ausgestorben. Um zu überleben, mussten sie sich neuen Situationen stellen – etwa einen reißenden Fluss überqueren oder durch einen dichten Urwald voller Gefahren gehen. Wer keinerlei Herausforderungen mehr sucht, sollte sich aus psychologischer Sicht fragen, warum er oder sie sich in der eigenen Komfortzone so sicher fühlt, dass keine Weiterentwicklung mehr stattfindet.

Was gilt es zu beachten, wenn man sich sportliche Ziele setzt?
Es gibt die SMART-Regel. Heißt: Die gesetzten Ziele sollten spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein. Das Problem vieler Sportler und Sportlerinnen ist, dass sie sich zu hohe Ziele setzen. Scheitern sie daran, sind sie frustriert. Deshalb sollten Ziele stets realistisch bleiben.

Gibt es bestimmte Techniken oder Routinen, die Sie empfehlen können, um gesetzte Ziele – etwa einen Marathon erfolgreich zu absolvieren – zu erreichen?
Zunächst ist ein strukturierter Trainingsplan empfehlenswert. Außerdem sollte man sich einen Trainingspartner oder eine Trainingspartnerin suchen. Hat man sich mit jemandem verabredet, ist es schwerer, das Training ausfallen zu lassen.

Ein häufig genannter mentaler Trick ist die Visualisierung. Wie wichtig ist dieser Aspekt?
Sehr wichtig! Das Gehirn unterscheidet nicht, ob wir eine Handlung tatsächlich ausführen oder sie uns nur vorstellen. Denken Sie an eine Zitrone: Wenn ich sie aufschneide und den Saft sehe, produziert mein Körper automatisch Speichel – auch wenn die Zitrone gar nicht real ist. Diese Technik kann man sich im Sport zunutze machen. Ich kann mir Bewegungsabläufe vorstellen, wie etwa die perfekte Lauftechnik oder einen erfolgreichen Torabschluss im Fußball. Auch das Visualisieren des Zieleinlaufs – beispielsweise bei einem Marathon – kann helfen, sich in schwierigen Momenten zu motivieren.

Gibt es noch weitere mentale Techniken, die Sie empfehlen können?
Eine Möglichkeit ist das Biofeedback-Training. Dabei misst ein Sensor Biosignale wie Hautwiderstand und -temperatur. Entspannt man sich bewusst, steigt die Temperatur der Haut und der Widerstand sinkt. So kann man lernen, Entspannung aktiv herbeizuführen. Ebenso hilfreich sind positive Selbstsuggestionen wie „Ich bin ein guter Läufer bzw. eine gute Läuferin“, „Ich habe gut trainiert“ oder „Ich werde es schaffen“.

Wie sollte man mit Rückschlägen umgehen?
Sportlerinnen und Sportler sollten darauf vorbereitet sein, nicht immer ihre Ziele zu erreichen. Nehmen wir an, ich hätte eine Marathonzeit von 3 Stunden 38 Minuten und wollte 3 Stunden 30 Minuten schaffen. Wenn ich im Rennen merke, dass das nicht realistisch ist, kann ich mir sagen: „ Dann genieße ich den Lauf und nutze ihn als gutes Training.“ Ein gutes Beispiel ist auch eine Tennisspielerin, mit der ich zusammengearbeitet habe. Sie hat mir erzählt, dass sie früher alle Pokale und Urkunden weggeworfen hat, wenn sie nicht Erste wurde. Das zeigt eine ungesunde Einstellung. Man sollte lernen, auch mit vermeintlichen Niederlagen zufrieden zu sein und auf seine eigene Leistung stolz zu sein.

Wie findet man die richtige Balance zwischen sportlichem Ehrgeiz und dem Hören auf den eigenen Körper?
Das ist eine schwierige Gratwanderung. Viele Marathonläuferinnen – und läufer geben auf, und am nächsten Tag sagen 80 Prozent von ihnen: ‚Da wäre noch etwas gegangen.‘ Gleichzeitig gibt es auch die 20 Prozent, die wirklich am Limit waren. Entscheidend ist, sich selbst realistisch einzuschätzen und auf Warnsignale des Körpers zu achten. Es ist empfehlenswert, sich sportmedizinisch beraten zu lassen, gerade was Herz-Kreislauf-System, Gelenke und Laufstil betrifft.

Welche Rolle spielen Erholung und Regeneration?
Eine sehr große! Der Körper benötigt Zeit zur Erholung, um sich anzupassen und zu regenerieren. Wer pausenlos trainiert, riskiert Überlastungen und Verletzungen.

Kann sportpsychologisches Coaching auch für Hobbysportlerinnen und -sportler sinnvoll sein?
Auf jeden Fall. Besonders wichtig ist das bewusste Steuern der eigenen Gedanken. Negative Gedanken blockieren uns. Wenn ich mir ständig sage „Das schaffe ich nicht“, wird es wahrscheinlicher, dass ich scheitere. Deshalb hilft es, solche Gedanken aktiv zu stoppen und durch positive Formulierungen zu ersetzen.

Sportpsychologie ist nicht nur im Wettkampf hilfreich, sondern wirkt sich positiv auf viele Lebensbereiche aus. Jugendliche, die ich betreut habe, berichten oft, dass sie selbstbewusster und mutiger geworden sind – auch außerhalb des Sports.

Herr Walter, vielen Dank für das spannende Gespräch.